FAQ zum Thema Corona im Arbeitsleben
© Rechtsanwaltskanzlei Jochheim Rechtsanwälte, 2020
1. Auswirkungen auf die Zusammenarbeit
1.1 Grundsätzlichen
Der Arbeitgeber ist gem. § 4 ArbSchG grundsätzlich zur Fürsorge verpflichtet. Er muss zudem gem. § 618 BGB alles unternehmen, damit die Angestellten ohne Gefahr ihre Arbeit erledigen können. Daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber ggf. Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz keine Ansteckungsgefahr besteht. Aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergibt sich auch, dass er Schutzmaßnahmen anweisen kann. Diese Anweisungen unterliegen gem. § 87 Abs. 1 BetrVG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Das Direktionsrecht gibt dem Arbeitgeber aber nicht das Recht, Untersuchungen oder Impfungen einseitig anzuweisen.
1.2 Verdacht auf Ansteckung
Sofern bei einem Arbeitnehmer der Verdacht besteht, er habe sich mit dem Coronavirus infiziert, darf der Arbeitnehmer befragt werden, ob er Kontakt mit einer infizierten Person hatte, oder sich in einem Gebiet mit erhöhter Ansteckungsgefahr aufgehalten hat.
Ist dies der Fall, ist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Aufklärung höher als das Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber darf eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers anordnen und diesen von der Arbeit freistellen. Sofern die Möglichkeit besteht, kann auch die Arbeit im Home-Office angeordnet werden.
1.3 Umgang mit Kontaktpersonen
Sofern sich der Verdacht bestätigt und die Untersuchung ergibt, dass der Arbeitnehmer sich mit dem Virus angesteckt hat, ist dieser auf Grund der Erkrankung nicht zur Arbeit verpflichtet und erhält Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Arbeitnehmer, die mit ihm in Kontakt standen, sollten für einen Zeitraum von 14 Tagen zur Selbstbeobachtung nach Hause geschickt werden. Diese Anordnung trifft der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer darf die Selbstbeobachtung weder von sich aus starten noch darf er sie eigenmächtig abbrechen.
1.4 Hinweispflicht des Arbeitnehmers
Von Bedeutung ist auch die Mitwirkungspflicht der Arbeitnehmer. Diese haben die Verpflichtung ihrem Arbeitgeber mitzuteilen, sofern sie sich in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Entsprechendes gilt auch für die Verpflichtung bei Rückkehr aus gefährdeten Gebieten. Diese Arbeitnehmer müssen sich in einen 14-tägigen Selbstbeobachtungszeitraum begeben.
2. Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Entgeltzahlung
2.1 Ansteckung mit dem Coronavirus
Sofern der Arbeitnehmer sich mit dem Virus angesteckt hat, ist er erkrankt und erhält Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 EFZG. Ein solcher Anspruch könnte entfallen, wenn der Arbeitnehmer gegen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes verstoßen hat.
2.2 Verdacht auf eine Infektion
Handelt es sich hingegen um einen nichtbestätigten Verdachtsfall, so besteht kein Anspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.
Ggf. ergibt sich ein Vergütungsanspruch gem. § 616 BGB. Nach dieser Vorschrift verliert der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Entgelt dann nicht, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung gehindert wird. Diese Norm kommt aber nur dann zur Anwendung, sofern sie nicht durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder den Tarifvertrag ausgeschlossen wurde.
Der Arbeitnehmer könnte in einem solchen Fall auch Arbeitszeitguthaben oder Urlaub einbringen.
2.3 Angst vor Ansteckung
Der Arbeitnehmer kann bei Angst vor einer Ansteckung nicht von sich aus der Arbeit fernbleiben. Die arbeitsvertragliche Hauptpflicht zur Arbeitsleistung besteht weiterhin. In Betracht kommen aber eine Urlaubsnahme, Abbau von Arbeitszeitkonten oder eine unbezahlte Freistellung von der Arbeit.
2.4 Fernbleiben wegen fehlender Betreuung
Die Frage, ob die Nichtaufnahme der Arbeit zu rechtfertigen ist, hängt in diesem Fall zunächst vom Alter und der Gesundheit des Kindes ab. Nur sofern eine Betreuung tatsächlich erforderlich ist und keine andere Betreuungsperson zur Verfügung steht, ist dem Arbeitnehmer die Arbeitsaufnahme nicht zuzumuten.
Der Anspruch auf Vergütung hängt auch in diesem Fall wiederum von der Anwendung des § 616 BGB ab (vgl. Ziffer 2.2). Eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit soll nach der Rechtsprechung 10 Tage umfassen. Wichtig ist auch hier, ob die Anwendung der Norm durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ausgeschlossen wurde. Zum Teil wurden in Arbeitsverträgen auch Einschränkungen des § 616 BGB in der Hinsicht vorgenommen, dass die Fälle, auf die die Norm Anwendung findet, konkretisiert werden.
2.5 Fernbleiben wegen Ausfalls öffentlicher Verkehrsmittel
Dieses Risiko fällt grundsätzlich in die Sphäre des Arbeitnehmers, sodass kein Vergütungsanspruch besteht. § 616 BGB findet keine Anwendung. Es ist zu prüfen, ob der Tarifvertrag ggf. eine Bestimmung enthält.
2.6 Quarantäne
Wird wegen Verdachts einer Infektion eine Quarantäne oder ein Beschäftigungsverbot seitens der Behörde angeordnet, so besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, das Entgelt in des ersten 6 Wochen fortzuzahlen. Er hat gegenüber der zuständigen Behörde einen Anspruch auf Rückerstattung gem. § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz).
2.7 Home-Office
Falls tatsächlich möglich, sollte von einer Arbeit im Home-Office Gebrauch gemacht werden. Auch sofern eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeit im Home-Office in vielen Fällen wohl nicht besteht, kann sie einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden, sofern eine Beschäftigung anderenfalls aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht möglich ist.
3. Kurzarbeit/Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung
Der Arbeitgeber hat verschiedene Möglichkeiten auf Arbeitsausfall zu reagieren. Im Folgenden werden diese Möglichkeiten kurz umrissen. Achtung: Es besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
3.1 Kurzarbeitergeld
Kurzarbeit ist möglich, sofern der Arbeitsausfall vorübergehend und unvermeidbar ist. Während das erste Kriterium in der aktuellen Situation zweifelsohne vorliegen dürfte, wird das Kriterium „unvermeidbar“ regional zum Teil unterschiedlich gehandhabt. Zum Teil wird ein Abbau von Arbeitszeitkonten sowie von Urlaubsansprüchen aus dem vergangenen Jahr als vorrangig angesehen. Damit wäre ein Arbeitsausfall nur dann vermeidbar, wenn zuvor diese Maßnahmen ergriffen wurden.
Hier wurde eine bundesweite Servicehotline der Agentur für Arbeit eingesetzt: 0800/ 45 555 20.
3.2 Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung
In der Metall- und Elektroindustrie ist eine Absenkung der Arbeitszeit gem. § 4 TV Besch (Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung) auf 29 Stunden pro Woche möglich. Ggf. können weitere Absenkungen nach einer Vereinbarung mit der IG-Metall vorgenommen werden.
Dieser Weg wird in der Metall- und Elektroindustrie in der Regel bevorzugt, da er zu geringen Kosten für den Arbeitgeber führt.
3.3 Arbeitszeitkonten
Ggf. können auch bestehende Arbeitszeitkonten zur Flexibilisierung genutzt werden. Dies hängt von der einzelnen Betriebsvereinbarung ab.
3.4 Betriebsferien
Es besteht die Möglichkeit, kurzfristig Betriebsferien festzulegen. Sofern ein Betriebsrat besteht, hat dieser ein Mitbestimmungsrecht.